Das Gemeinschaftshaus und der Marktplatz
Das Gemeinschaftshaus und der Marktplatz
Seit der Antike spielte sich auf den Marktplätzen, an denen die wichtigsten Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude standen, das öffentliche Leben ab. Bauern verkauften hier ihre Erzeugnisse, Geldwechsler tätigten ihre Bankgeschäfte, und die Handwerker hatten hier ihre Läden. In den neu erbauten Siedlungen sollte der Marktplatz ebenfalls Mittelpunkt des Lebens werden. Entsprechend den damaligen politischen Verhältnissen sollte er aber auch gleichzeitig Aufmarschplatz sein. An diesen Marktplätzen baute man die Gemeinschaftshäuser, in denen die Dienststellen der NSDAP und ihrer Gliederungen untergebracht und Räume für kulturelle Veranstaltungen vorhanden waren. In der Siedlung Mascheroder Holz beherrscht das Gemeinschaftshaus den Platz.
Das Gebäude besteht aus zwei Trakten, die rechtwinklig zusammenstoßen; einem Hauptbau von 57,80 m Länge und 19,00 m Breite sowie einem Seitenflügel von 49,72 m und 9,10 m Länge und 10,75 m bzw. 12,00 m Tiefe. Der Hauptbau ist in Bruchsteinmauerwerk errichtet; das Dach in Holzkonstruktion ausgeführt. Bei den Entlastungsbögen über Fenstern und Türen und an den Ecken treten Rusticaquader an Stelle der Bruchsteine. Die Hauptfassade ist die Giebelseite, in deren Mittelzone die Fläche über dem Portal von dem Hoheitszeichen, dem Adler mit ausgebreiteten Schwingen, beherrscht wurde. Darüber sind zwei Reihen mit je drei halbrunden Schallöffnungen untereinander angebracht, die an Schallöffnungen in Glockentürmen erinnern sollten. Es ist kaum bekannt, daß dahinter tatsächlich ein Glockenraum war. An der Nordseite des Gebäudes mit Blick zu dem rechteckigen Platz befindet sich der sogenannte „Führerbalkon“.
Der niedrige Seitenflügel schließt den Welfenplatz nach Osten ab, während das Hauptgebäude die Begrenzung des Platzes nach Süden bildet.
Die Innengestaltung des Gemeinschaftshauses
Die Innengestaltung des Gemeinschaftshauses
Für größere Parteiveranstaltungen, Schul- und Siedlerfeste befand sich im Erdgeschoß des Hauptgebäudes eine große Halle/Festsaal von ca. 650 qm. Die Wände in Bruchstein geschlämmt, der Fußboden roter Wesersandstein, die Fensterlaibungen rot-weiß abgesetzt -. Während des Krieges diente diese Halle, die über tausend Personen fassen konnte, u.a. zeitweilig als Getreidespeicher.
Bevor man die Halle oder auch Gemeinschaftsraum betrat, mußte man durch einen Vorraum, die sogenannte „Ehrenhalle“. Sie war dem Gedächtnis der Gefallenen des Ersten Weltkrieges gewidmet. Durch drei hohe Durchlässe mit schmiedeeisernen Toren gelangte man dann in die Halle. Auf der Wand über den Durchlässen standen die Worte „UND IHR HABT DOCH GESIEGT“. Unterhalb der Balkendecke standen an den Wänden die Namen der Toten des 9. November 1923. An der Wand waren Leuchter angebracht, die in ihrem unteren Teil wie Fackeln aussahen und Feuerschalen trugen. Im Gemeinschaftsraum ruhte die sichtbare Dachkonstruktion auf sieben Wandpfeilern. An den Wandpfeilern befanden sich ähnliche Leuchter wie in der Ehrenhalle. Unter einem riesigen Adler an der Stirnseite stand auf einem Podest das Rednerpult. Hinter dem Gemeinschaftsraum befand sich ein Lesezimmer und ein Spielzimmer, darüber lag ein sogenannter Feierabendsaal.
Am 27. Juli 1937 fand im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Dietrich Klagges, des Oberbürgermeisters Dr. Wilhelm Hesse, dem Vertreter der deutschen Arbeitsfront und anderen Vertretern des öffentlichen Lebens das Richtfest des vom „Amt Schönheit der Arbeit“ geplanten Feierabend- oder Gemeinschaftshauses statt. Da eine Gastwirtschaft in der Siedlung noch nicht vorhanden war, wurde das Richtfest mit Handwerkern, Meister und Architekten im Konzerthaus gefeiert.
Bezug des Gemeinschaftshauses
Bezug des Gemeinschaftshauses
Um das Gebäude nicht zu lange leerstehen zu lassen, wurden – noch vor der offiziellen Schlüsselübergabe – bereits am 30. Juni 1938 im Seitenflügel (Verwaltungstrakt) die Diensträume der einzelnen Parteigliederungen durch Vertreter der DAF und der NSDAP im Erdgeschoß bezogen. Im Dachgeschoß wurden die „Scharräume“ und Verwaltungsräume für die HJ und für den BDM ausgebaut. Im Auftrage des Reichsorganisationsleiters Dr. Robert Ley wurde dann am 30. April 1939 das Gemeinschaftshaus – das erste in Deutschland, das die Partei geschaffen hatte – durch den Gauleiterstellvertreter Kurt Schmalz in Anwesenheit des Oberbürgermeisters der Stadt Braunschweig Dr. Wilhelm Hesse sowie des Kreisleiters Arnold Krebs eingeweiht und endgültig seiner Bestimmung übergeben.
Unter der Aufsicht der Bauabteilung der DAF wurden von Braunschweiger Privatarchitekten die Geschäftshäuser am Marktplatz geplant. Es waren hierfür zweigeschossige Häuser mit je einem Laden im Erdgeschoß vorgesehen. Das Erdgeschoß ist wesentlich gegen das Obergeschoß erhöht und hat massive, verputzte Außenmauern. Das Obergeschoß ist in Fachwerk gestaltet. Die Häuser grenzen den Platz nach Westen ab. In gleicher Bauweise, jedoch ohne Läden, errichtete man die Wohnhäuser an der Nordseite.
Neben dem Geschäftszentrum am Marktplatz entstand ein weiteres aber kleineres Zentrum auf der Heidehöhe (Bäckerei und Lebensmittelgeschäft).
Wie beim Gemeinschaftshaus erfolgte die Dachdeckung dieser Wohn- und Geschäftshäuser mit Braunschweiger Krempziegeln, dessen Grate und Firste mit Schieferleisten eingedeckt wurden. Die Fachwerkbauweise der Grundstücke in Verbindung mit der einheitlichen Dachdeckung sollten mit dem aus Bruchsteinen errichteten Gemeinschaftshaus (Hauptbau) zu einem architektonisch harmonischen Gesamtbild des Marktplatzes führen.
Das Gemeinschaftshaus nach dem Zweiten Weltkrieg
Das Gemeinschaftshaus nach dem Zweiten Weltkrieg
Mit dem Ende des Krieges änderte sich auch die Nutzung des Gemeinschaftshauses. Amerikanische Truppen beschlagnahmten das Gebäude bei der Besetzung 1945 und richteten dort ihre Kommandantur ein. Die große Halle war zum Lagerraum geworden, und auf dem Marktplatz, wo noch Ende 1944 der Volkssturm vereidigt wurde, lag jetzt Kriegsmaterial und standen Panzer der amerikanischen Armee.
Nachdem das Gemeinschaftshaus von den Besatzungstruppen geräumt worden war, mußte eine andere Nutzung für dieses Gebäude gefunden werden. Anträge auf Errichtung eines Kinos wurden bereits 1946 gestellt. Bevor aber die Umbauten für das Kino beginnen konnten, fanden in der großen Halle u.a. mehrere Box-Veranstaltungen des Sportvereins-Süd statt.
Am 2. Dezember 1949 konnte im „Roxy-Film-Kasino“ der erste Film „Die tolle Miss“ mit Ray Ventura und Giselle Pascal vorgeführt werden. Durch diesen Film wurde z. B. der Schlager „Ay-Ay-Ay Maria, Maria aus Bahia“ bekannt.
Mit 630 Sitzplätzen zählte das „Roxy“ in Braunschweig zu den großen Filmtheatern. Besonders auffällig waren die große Bildwiedergabe sowie die gute Ton- und Bildreproduktion. Um auch Theateraufführungen zeigen zu können , hatte man zusätzlich eine Bühne gebaut. Bei der Eröffnung überbrachte Stadtrat Prof. Wilhelm Staats in Vertretung von Oberstadtdirektor Dr. Erich Lotz die Grüße der Stadt.
Das Eröffnungsprogramm mit Tanz und Sketchen, an dem Walter Beißner das Lied des Bajazzo sang, begleitete die Kapelle Hans Huhn. Bei ausverkauftem Haus wurden hier von Wanderbühnen Schauspiele und Operetten aufgeführt. Oft trafen sich nach den Vorstellungen Schauspieler und Einwohner, um noch etwas zu feiern. Hans-Jörg Felmy, heute ein bekannter und erfolgreicher Schauspieler von Theater, Film und Fernsehen, war ein oft und gern gesehener Gast.
Wie überall gingen auch die Besucherzahlen des Roxy-Kinos zurück. Da die Erhaltung des Raumes für andere Aufgaben des öffentlichen Lebens nicht möglich war, wurde der Kino-Saal im Jahre 1963 zu einem Supermarkt um- gebaut. Die gleichzeitig mit diesem Umbau erstellten anderen Räume finden für die Altenbetreuung und als Jugendtreffverwendung. Außerdem können hier Veranstaltungen der Schule, der Vereine usw. durchgeführt werden. In einer Feierstunde während des Volks- und Schützenfestes 1965 übergab Oberbürgermeister Bernhard Ließ weitere neue Gemeinschaftsräume an die Bürgergemeinschaft und die Schule.
1939: Geschäftshäuser am Robert-Ley-Platz | 1983: am selben Standort – jetzt Welfenplatz
Der Polizeirevierposten befindet sich seit 1956 ebenfalls im Hauptteil des Gemeinschaftshauses.
Nach kurzer anderweitiger Nutzung der Erdgeschoßräume im Seitenflügel des Gemeinschaftshauses wurde hier am 14. September 1951 die Zweigstelle der öffentlichen Bücherei wieder eröffnet. Da bereits seit Januar 1944 eine Bücherei-Zweigstelle im Gemeinschaftshaus eingerichtet wurde, ist sie die älteste Zweigstelle in der Stadt Braunschweig. Durch Plünderung ging der Buchbestand im Jahre 1945 verloren und mußte vollständig erneuert werden. Heute hat die Zweigstelle einen Bestand von ca. 15000 Medien.
Durch eine ständig steigende Benutzung der Bücherei wurden die Räume zu klein. Nur eine Vergrößerung konnte Abhilfe schaffen. Mit einem Büchereifest am 14. März 1986 wurde die Zweigstelle um ca. 50 m2 erweitert. Nach der Eröffnung durch Bezirksbürgermeister Rudi Steinbacher und Bibliotheksdirektor Wolf-Dieter Schuegraf musizierten und spielten Schüler der Grundschule Lindenbergsiedlung. Über 400 Personen besuchten an diesem Tag die Bücherei.
In den früheren Räumen des HJ-Heimes befindet sich seit 1946 der städtische Kindergarten.
Von den 1946 im umgebauten Seitenflügel untergebrachten Geschäften (Lebensmittelgeschäft, Samenhandlung, Zweigstelle einer Apotheke und eines Radiogeschäftes) existiert heute nur noch die Gastwirtschaft „Försterkrug“.